Rettet das Tübinger Kulturdenkmal Anlagenpark mit See

Rettet das Tübinger Kulturdenkmal Anlagenpark mit See – seine jetzige Größe und Qualität gehören zum Stadtbild!
Als Tübinger und Naturwissenschaftler bin ich entsetzt, was nicht-grüne Stadtplaner an Bauprojekten im Tübinger Anlagenpark durchführen wollen. Der Umfang und die zerstörende Wirkung auf den Bürgerpark werden erst jetzt nach Beginn der Arbeiten deutlich.

Die Stadt legt keine aktuellen belastbaren ökologischen und finanziellen Begründungen vor, noch erfolgte eine intensive Bürgerbeteiligung. Die letzte breite Bürgerbefragung zum Anlagenpark fand 2007 statt. Völlig absurd und falsch sind folgende wiederholt vorgeschobene Argumente, um eine Verkleinerung der Seefläche zu erreichen: Der jetzige See sei eine Wasser-Wüste mit giftigem Sediment. Die Verbesserung der Wasserqualität und des Klimas soll durch die Verkleinerung und Beschränkung der Zuflussmenge erfolgen. Transportkosten- und somit Geldeinsparung und Eventflächengewinn (!) seien durch Eintragung von Bauaushub erreichbar. Dazu würden schöne Betonstufen zum See gebaut. Sogar mehr Bäume sollen in befahrbarem Flüssigbeton gedeihen.

Tatsächlich sollen Baufenster für Betonklötze im Osten des Europaplatzes vergrößert werden, feste LKW-Pisten sind zur Bauausführung nötig. Eine riesige extrem teure Fahrradbrücke mit Kreisverkehr und Betonpiste ist im Süden des Parks fest eingeplant. Den Park hat man jahrelang und absichtlich verlottern lassen. Die Seeufer wurden nie ökologisch sinnvoll bepflanzt, fachmännisch ausgewählte Baumnachpflanzungen erfolgten keine, sondern mächtige Bäume wurden gefällt. „Events“ verwüsteten die Südseite. (Dazu gibt es unzählige empörte Leserbriefe).

Zu den Behauptungen der Stadt über den Anlagensee folgendes:

Die schlechte Wasserqualität ist eine Erfindung! Seit Fütterungsverbot ist das Wasser einwandfrei. Wie seit über 100 Jahren hat der See einen gesunden Fischbesatz und Teichmuscheln! Der Mühlbach bringt nicht tonnenweise Dreck, sondern führt klares Wasser mit Flusskrebsen. Sollte etwas Sediment bei den wenigen Hochwässern aus der überwiegend steinigen Steinlach kommen, dann könnte dieses auf natürliche Weise abgefangen werden. Zwischen Derendinger Sportplatz und Fa. Erbe Medizintechnik ist eine grüne Wiese, und der Mühlbach fließt mäandernd durch. Dies darf kein Baufenster werden, sondern sollte ein Platz für ein Biotop sein mit Teich zum eigentlich unnötigen Sedimentieren der vernachlässigbaren Mühlbacheinträge. Auch beim Landratsamt ist so ein Teich möglich. Wieso glauben die Stadtplaner, dass in einem verkleinerten See kein Sediment eingetragen wird? Verbesserte Wasserzirkulation (übrigens ebenfalls unnötig) ließe sich auch bei jetziger Größe mit einfachen Maßnahmen erzielen. „Fragen Sie dazu Ihren Fischer oder Angler“, und denken Sie daran: je größer der See umso stabiler Wasser und Klima! Dazu ein unverständliches Argument aus „grünem“ Munde: Der verkleinerte See sein ein besserer Klimapuffer als der größere!

Die geplante Seeverkleinerung und die massive Betonierung (auch mit Flüssigbeton) der Parkumgebung bedeuten zudem eine lokale Verschlechterung des Grundwasserspiegels. Die späteren Folgen, insbesondere wegen weiterer Klimaerwärmung sind bekannt: Absterben auch von Neupflanzungen und altem Baumbestand. Weitere Fehler wegen ihrem dürftigen Naturverständnis macht die pseudo-grüne Stadtregierung, wenn sie u. a. glaubt, in festem Flüssigbeton würden mal über hundert Jahre alte Baumriesen gedeihen. Solche Naturdenkmäler sind im Bürgerpark nur jetzt noch zu bestaunen.

Tübingen ist die einzige Stadt bundesweit, die eine innerstädtische Park- und Seeverkleinerung plant. Die verantwortlichen Planer haben kein Gespür dafür, welchen Frevel sie damit an jüngeren Generationen begehen. Der Park liegt direkt an drei Gymnasien mit tausenden von Schülern! Naturverbundenheit vermisst man nicht nur bei den Planern, sondern auch beim OB. Dank der BI konnte die Aubrunnen-Schließung im Wasserschutzgebiet verhindert werden, jetzt droht aber Gefahr durch Solarthermie-Flüssigkeit vom Acker nebenan.

Weitere Kommentare zu den Folgen der Bauprojekte:

Die wenigen städtischen Grünflächen sollten wegen Ihrer sehr positiven Wirkung auf Kleinklima, CO2-Bilanz, Biodiversität und Lebensqualität aus- und nicht zugebaut werden! Tübingens „Grüne“ haben leider dazu eine „exakt gegenteilige Meinung“ (Originalton OB). Nicht zu Ende gedachte Bauvorhaben haben deshalb leider Priorität vor dem Naturschutz. Alternative Vorschläge werden stur ausgeschlagen, keine der rücksichtslosen alten Pläne aktualisiert. Andernorts erfolgt zur Baulückenschließung ein Umdenken.

Für mich ist immer noch die groteske Mooswand in der Mühlstraße ein Schlüsselerlebnis und Symbol des „grünen“ Übereifers, gepaart mit fehlendem Verständnis für einfache naturwissenschaftliche Zusammenhänge und Nachhaltigkeit. Die sinnlosen Staubsauger an Stuttgarts Hauptverkehrsader lassen grüßen – nichts dazu gelernt!

Fazit:
Tübingens liebenswerter Charakter muss insbesondere auch im Anlagenpark erhalten bleiben. Klimaneutralität kann unter Erhalt von innerstädtischer Lebensqualität für Jung und Alt angestrebt werden, wenn man nur will. Die Tübinger BI und viele Anregungen aus der Bürgerschaft zeigen sehr gute, finanziell tragbarere Alternativen zu den überdimensionierten Stadtplanungen auf. Diese Alternativen schneiden wesentlich besser ab bezüglich CO2-Bilanz, Biodiversität, Nachhaltigkeit, Verkehrsverbesserung und Kosten mit Folgekosten. Zum Beispiel möchte die BI „Gleisfrei“ neue Verkehrskonzepte mit flexiblen e/H2-Bus-Systemen sofort realisieren. (dazu www.gleisfrei.org, NEIN zur Stadtbahn und Leserbriefe).

Für die innerstädtisch geplante Schienenbahn (den Dinosaurier des ÖPNV) werden leider bereits Bauvorbereitungen im Park getroffen.

Niemand hat etwas gegen die notwendige Verbesserung der Fahrradwege und des ÖPNV! Aber nicht auf Kosten eines wunderschönen Bürgerparks mit See, um den uns andere Städte beneiden!

Nota bene: Mit den veralteten städtischen Bau- und Verkehrsplanungen und deren insgesamt verheerender CO2-Bilanz wird Tübingen bis 2030 nicht klimaneutral, sondern eine fortschreitende Betonwüste.

Hoffentlich wird die Tübinger Landesgartenschau von echten Naturfreunden geplant, die diese „Show“ zum Naturerlebnis mit Hauptthemen wie „Biodiversität“ werden lassen.

Dr. rer. nat. Günther Jung, Professor i.R. für Organische Chemie und Biochemie hat dieses Schreiben an die Gemeinderäte am 8.10. ausgeteilt.

Ein Kommentar

  1. Habe einen Brief ans Schwäbische Tagblatt geschickt (wann der wohl erscheint?) sowie an die Stadtverwaltung:
    „Nachdem die Stadtverwaltung schon seit Monaten versprochen hatte, daß es zum Anlagenpark noch
    eine öffentliche Veranstaltung geben werde, wurde diese endlich für den 17. Oktober anberaumt.
    Als ich – verschwitzt, weil für stundenlanges Sitzen in der Kälte angezogen – bei der Panzerhalle
    angeradelt kam, fand ich sie leer und das Veranstaltungsplakat mit dem Vermerk „entfällt“ überklebt.
    Die Plakate in der Stadt hingen noch -ohne Vermerk!
    Mit steigenden Corona- Infektionszahlen und entsprechenden Maßnahmen im Herbst war doch zu rechnen! Warum wurde die Veranstaltung nicht auf einen früheren Zeitpunkt gelegt – als es wärmer
    war und vor allem die am 1. Oktober gefällten Bäume noch standen?!
    Zeiten, in denen Veranstaltungen auf 50 TeilnehmerInnen beschränkt werden und die Teilnahme
    ein Gesundheitsrisiko ist, verlangen ohnehin andere Wege der BürgerInnenbeteiligung. Ich fordere
    die Stadtverwaltung auf, eine E-Mail-Adresse UND eine Postadresse anzugeben, unter denen
    BürgerInnen ihre Vorstellungen zur Gestaltung des Anlagenparks einbringen können – und diese
    Beiträge dann auch öffentlich zugänglich zu machen! Und es sollten nicht nur Details zur Debatte stehen, sondern auch, ob Radschnellweg, Seeverkleinerung und „Seeterrasse“ überhaupt gewollt
    werden!
    Von dem, was in dieser Stadt unter „Bürgerbeteiligung“ läuft, fühle nicht nur ich mich zunehmend
    ver…administriert.“
    Dem Schreiben an die Stadt fügte ich noch den Vorschlag hinzu, im Rathausfoyer ein Buch
    auszulegen, in dem man seine Meinung dartun und die anderer nachlesen kann.
    Kurz darauf erfuhr ich noch, daß eine Veranstaltung zu einem anderen Thema in der Hepperhalle, also sogar in einem geschlossenen Raum, trotz Corona nicht abgesagt worden war.
    Angesichts dessen, wie die Stadt vollendete Tatsachen schafft (Kahlschlag am 1. Oktober) und
    wirkliche BürgerInnenbeteiligung sabotiert, kann ich verstehen, daß viele jetzt resignieren.
    Das ist aber ein Fehler! Zum einen sind zwar die Bäume weg, aber es besteht immer noch die Möglichkeit, exakt an deren Stelle neue zu pflanzen, statt dort einen Radweg zu bauen ; wir können weiter dagegen protestieren, daß die Südseite des Parks um 5 Meter verschmälert wird. Zum anderen geht es ja auch noch darum, bei der Tiefgarage die ärgsten ökologischen Verheerungen
    (Flüssigboden!) zu verhindern, den See in voller Größe zu erhalten und darauf zu bestehen, daß er sein natürlich wirkendes Ufer behält und nicht durch( auch noch gradlinige) Ummauerung in ein Becken verwandelt wird; und auch bei der „Seeterrasse “ macht es einen großen Unterschied, ob
    sie betoniert wird, ob Geopolymere verwendet werden oder ob sie aus Rasenflächen besteht, die durch Trockenmauern abgestützt werden. Ich finde Herrn Dr. Jungs Schreiben an die Gemeinderäte
    daher sehr dankenswert und würde mir wünschen, daß alle, die es furchtbar finden, was mit unserem Park geschieht, sich ebenfalls schriftlich äußern: gegenüber dem Gemeinderat, der Stadtverwaltung, dem Tagblatt oder auf der „Wandzeitung“ neben dem Löwenladen.
    Falls das alles aber nichts nützt, ist das auch noch kein Grund zu resignieren.Da das Projekt Europaplatz/Anlagenpark ein Paradebeispiel dafür ist, wie man BürgerInnen mit allen Mitteln
    an der Beteiligung hindert, sollten wir es zum Lehrstück machen, und aus der BI Anlagenpark sollte
    eine Initiative hervorgehen, die Methoden echter BürgerInnenbeteiligung erarbeitet und durchsetzt.
    Anne Fröhlich

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