Falsche Vorstellungen vom Efeu

Mythos „Baumwürger“: Der Efeu 😉

In den letzten Jahren kommt es immer wieder zu unreflektierten, barbarischen Akten der Zerstörung, bei denen selbst ernannte „Baumretter“ Jahrzehnte alte Efeustämme heimlich – und rechtswidrig – kappen und damit unersetzlichen Lebensraum vernichten. Eindringlicher lässt sich ökologische Ignoranz wohl kaum unter Beweis stellen.

Um die furchteinflößenden Fähigkeiten des Efeus als „Baumwürger“ ranken sich zahllose Mythen, Klischees und Vorurteile, die sich bei näherer Betrachtung als völlig haltlos erweisen

Lasst uns also im Folgenden eine Lanze für den Efeu (Hedera helix) brechen, einer der wenigen verholzten Lianen der einheimischen Flora und unser einziger „Wurzelkletterer“, eine Pflanzenart, die den ökologischen Wert unserer Bäume ganz entscheidend verbessert.

Behauptung 1: Efeu schmarotzt an den Bäumen.

Entgegen einer oft geäußerten Behauptung, ist der Efeu KEIN Parasit. (Ein Beispiel dafür wären die Würgefeigen (z.B. Ficus aurea), hier ist der Tod des Wirtsbaumes tatsächlich fester Bestandteil des Entwicklungszyklus dieser Art).

Der Efeu benutzt seinen Wirtsbaum dagegen als Kletterhilfe um die Lichtbedingungen zu optimieren. Die Haftwurzeln dienen lediglich der rein mechanischen Verankerung an der Borke, im Gegensatz zur Mistel, einem Halbschmarotzer, bezieht der Efeu weder Wasser noch Nährsalze vom Baum, ist also völlig autark. Der Efeu als botanischer „Vampir“ gehört daher ins Reich der Fabeln.

Behauptung 2: Efeu überwuchert den Kronenbereich der Bäume, reduziert dadurch die Fotosyntheserate des Baums drastisch und bringt ihn letztendlich zum Absterben.

Um diese Hypothese zu widerlegen, reicht bereits ein Blick in die Natur. Der Zeigerwert für Licht nach Ellenberg liegt bei 4, damit steht Efeu zwischen den Halbschatten-und Schattenpflanzen. Im Schatten der Baumkrone, am Stamm und den starken Ästen herrschen die für Efeu optimalen, d.h. relativ gemäßigten Lichtbedingungen. Am Boden kann der Efeu zwar jahrelang als flächiger Bodendecker überleben, allerdings reicht unter solchen Wachstumsbedingungen das Licht nicht aus, um die Entwicklung von Blüten und Früchten zu gewährleisten, dazu muß er höher hinaus.

Für den Efeu besteht aber absolut keine Veranlassung in den Kronenbereich des Baumes vorzudringen wo letztendlich die ganze Fotosyntheseleistung des Baumes konzentriert ist. Hier wäre die Lichtintensität viel zu stark und würde sich sogar nachteilig auf die Entwicklung des Efeus auswirken. Das wäre in etwa so, als würde sich ein Mensch mit Sonnenallergie in der prallen Mittagssonne an den Pool legen.

Efeu hat da deutlich mehr Verstand! 😋

Bei einer Studie im Bannwald „Weisweiler Reinwald“ am Oberrhein wurden 2431 Efeulianen untersucht. Bei allen Baumarten betrug der Abstand der Efeupflanze zur Kronenspitze 4 m und mehr. Da der Efeu die Krone nicht erreicht – und auch gar nicht erreichen will 😋 – ist eine Konkurrenz um Licht im Kronenraum so gut wie ausgeschlossen.

Probleme kann es lediglich bei kleineren Strauch-und Baumarten wie Weißdorn und Obstbäumen kommen, die tatsächlich komplett überwachsen werden. Hier handelt es sich aber ja auch nicht um den natürlichen Standort des Efeus. In diesem Fall kann die Entfernung oder zumindest Kürzung des Efeus durchaus sinnvoll sein, langfristig profitiert nicht einmal der Efeu selbst von einem ungeeigneten Standort.

Am besten gedeiht er an der Eiche, er findet sich aber auch am Esche, Ahorn, Linde, Ulme und Vogelkirsche.

Efeu kann bis zu 450 Jahre alt werden. Im Schnitt erreicht er eine Höhe von 20, seltener von 30 Metern, für diese Entwicklung brauchte er immerhin 30-40 Jahre. Stirbt der Wirtsbaum ab, erklettert der Efeu in der Regel keinen zweiten Baum mehr.

Rein kriminalistisch betrachtet würde einem Baummord absolut jedes Motiv fehlen! Eine Tat im Affekt ist auszuschließen, Psychopathen sind in den Reihen des Efeus wohl eher die Ausnahme. 😈 Aus Sicht der Evolution wäre es kompletter Irrsinn, Jahrzehnte zu investieren um dann endlich, endlich die Blühphase zu erreichen, nur um sich im Anschluß die eigene Lebensgrundlage zu entziehen. Diese selbstmörderische Strategie würde ausschließlich Selektionsnachteile bringen und langfristig zum Aussterben der Art führen.

Behauptung 3:
Efeu „erdrosselt“ seinen Wirtsbaum.

Efeuranken befinden sich häufig nur auf einer Seite des Stammes, bilden also kein dreidimensionales Geflecht wie beispielsweise die Würgefeige. Falls eine mechanische Beeinträchtigung des Baumstammes stattfinden würde, müsste das zur Einschnürungen führen, die sich aber nirgends feststellen lassen. Auch bei der Untersuchung von Jahresringen konnte keine Reduktion des Dickenwachstums bei mit Efeu bewachsen Exemplaren nachgewiesen werden.

Behauptung 4: Die Rinde wird von Licht und Luft abgeschlossen und dadurch geschädigt.

Erfreulicherweise ist das genaue Gegenteil der Fall. Der Bewuchs des Stamms sorgt für einen ausgeglichenen Feuchtigkeitsgehalt und verhindert Hitzestress und Frostrisse. Bei am Gehölzrand oder freistehenden Bäumen bei denen der Efeu als „Schutzmaßnahme“ gekappt wurde, erlitten die betreffenden Exemplare nach Wegfall der schützenden Efeuhülle einen „Sonnenbrand“ (Rindenbrand), der zum Absterben des Baumes führen kann. Hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet!

Behauptung 5: Der Efeu bietet durch sein Laub vor allem im Winter eine größere Angriffsfläche und erhöht damit die Wahrscheinlichkeit für Windbruch.

Wie weiter oben bereits angeführt, umspinnt der Efeu nicht die gesamte Baumkrone, sondern wächst eher manschettenartig um Stamm und Starkäste. Daher wirkt er weniger wie ein Segel, sondern eher wie ein Pelzmantel 😋 Im Sommer dürfte dieser Effekt vernachlässigbar sein, da der Efeu von der dicht belaubten Baumkrone wie eine Glocke umschlossen wird.

Im Winter wird die Angriffsfläche für den Wind sicher erhöht, ob dadurch allerdings die Statik eines Großbaums gefährdet wird, ist äußerst fragwürdig. Bei kleineren Bäumen, die komplett überwachsen werden, sieht das natürlich ganz anders aus

Stürzt ein Efeu bewachsener Baum im Sturm sind generell zwei Hypothesen möglich:

  1. Der Efeu ist mitverantwortlich für den Sturz.
  2. Der Efeu ist es nicht!

Beide Aussagen sind aber komplett spekulativ, das sollte uns klar sein! Die „Schuld“ des Efeus in einem Einzelfall zu beurteilen, ist schlicht und ergreifend nicht möglich. Im Zuge der Klimaerwärmung sind unsere Bäume zunehmend Stress ausgesetzt: Trockenheit, Hitze, Luftverschmutzung, Schädigung der Mykorhizza im Wurzelbereich. Ein Sturm kann dann der legendäre Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, ohne daß der Efeu auch nur im geringsten an diesem Geschehen beteiligt ist

Willkürliche Einzelbeobachtungen ermöglichen generell keinerlei Rückschluss auf ursächliche Zusammenhänge. Dazu braucht es wissenschaftliche Studien und Statistik.

Sicherlich gibt es irgendwo den neunzigjährigen, übergewichtigen, Kette rauchenden, alkoholabhängigen Onkel. Daraus den Schluss zu ziehen, Alkohol, Zigaretten und Übergewicht, sind harmlos wäre allerdings ein fataler Trugschluss. Erst die statistische Auswertung einer großen Stichprobe zeigt, dass es sich hier um eine skurrile Ausnahme aber keineswegs um die Regel handelt.

Nur wenn nach einem Sturm die Anzahl der mit Efeu BEWACHSENEN, umgestürzten Bäume prozentual signifikant höher ist, als die der UNBEWACHSENEN, umgestürzten Bäume, ermöglicht dieses Ergebnis eine eindeutige Aussage.

Bei einer Studie in den Hartholz-Auwäldern am Oberrhein (Schnitzler & Heuze 2006) konnte ein signifikant erhöhtes Sturzrisiko allerdings nur bei den mit Efeu bewachsenen Sträuchern und Jungbäumen in der Strauchschicht ermittelt werden, nicht aber für die Großbäume. Die Behauptung, ein Bewuchs mit Efeu würde die Gefahr für Windbruch erhöhen, ist so undifferenziert sicherlich nicht richtig.

Fazit:
Zusammenfassend profitiert ein Baum durch einen Bewuchs mit Efeu sogar, von einer Beeinträchtigung oder gar Gefährdung kann keine Rede sein (kleine Bäume und Sträucher einmal ausgenommen!).

Beim Efeu erfolgt der partielle Laubabwurf vor allem im Frühsommer, in dem sonst kein frisches Falllaub mehr zur Verfügung steht. Das Laub wird rasch abgebaut und beeinflußt die Humusbildung in der Laubstreu positiv, was wiederum dem Baum zugute kommt.

Bei einer Studie im Buchenwald „Foresta Umbra“ in Süditalien konnte keine negative Auswirkung des Stammzuwachses durch den Efeubewuchs festgestellt werden, die Zuwachsrate der bewachsenen Stämme lag sogar deutlich höher als bei den unbewachsenen. Durch die schützende Efeuhülle wird der Stamm vor Hitze- und Froststress geschützt, sie bindet Feinstaub und sorgt für ein ausgeglichenes Kleinklima.

Auch im Hinblick auf die Artenvielfalt ist der Efeu ein echtes ökologisches Kleinod:

Durch den offenen Blütenbau ist der reichlich angebotenen Nektar auch für kurzfristige Insektenarten, entsprechend begeistert wird die Pflanze auch beflogen.

Durch den relativ späten Blütezeitpunkt von August bis November stellt der Efeu einen wichtigen Pollen-und Nektarspender in dieser Jahreszeit dar. Die erst 1993 von Schmidt & Westrich beschriebene Efeu-Seidenbiene (Colletes hederae) sammelt ihren Pollen ausschließlich am Efeu (oligolektische Art). Jeder anständige Entomologe hat um diese Zeit die Freilandarbeiten komplett abgeschlossen und sitzt an Auswertungen und Veröffentlichungen, daher konnte sich die Wildbiene erstaunlich lange den Augen der Forscher entziehen. 🤗

Insgesamt 68 Insektenarten wurden am Efeu nachgewiesen. Zu den typischen Blütenbesuchern gehören Schwebefliegen, unter anderem die Scheinbienen-Keilfleck-Schwebfliege = „Mistbiene“ (Eristalis tenax), die Gemeine Keilfleckschwebfliege (Eristalis pertinax) und die kleine Bienenschwebfliege (Eristalis arbustorum). Die Deutsche und die Gemeine Wespe tanken hier Nektar, während die Hornisse Jagd auf diese kleineren Artgenossen macht.

An Schmetterlingen wurden Admiral, Tagpfauenauge, C-Falter sowie das Taubenschwänzchen beobachtet.

Viele Vogelarten brüten im Efeu (unter anderem Amsel, Singdrossel, Mönchsgrasmücke, Zaunkönig, Zilpzalp, Sommergoldhähnchen Schwanzmeise). 17 Vogelarten ernähren sich im Winter und Vorfrühling von den Beeren, häufig werden die Efeugeflechte auch als geschützter Schlafplatz genutzt

Ein Extrakt aus Efeublättern ist aufgrund der darin enthaltenen Saponine ein bewährtes Heilmittel um festsitzenden Bronchialschleim zu lösen. Aufgrund der seifenähnlichen Wirkung der Saponine lassen sich aus Efeu auch Spül- und Waschmittel extrahieren.

Fazit: Bäume würden Efeu buchen! 😍

P.S. Bitte nach Herzenslust teilen! Nur Fakten und Wissen schützen vor irrwitzigen Efeumassakern 🤗

Quelle: BUND für Umwelt und Naturschutz Deutschland, Kreisgruppe Region Hannover. Efeu an Bäumen – ein Problem?

https://starnberg.bund-naturschutz.de/fileadmin/kreisgruppen/starnberg/bilder/OG-Gauting/Efeu_und_Baeume_BUND_Hannover.pdf

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